Dezember 2021

Viel zu früh, im Alter von nur 57 Jahren, hat uns unser Freund und Schriftstellerkollege Dietmar Damwerth am 23. Dezember verlassen. Er war der Dreh- und Angelpunkt, die Seele unseres Verbandes – zuverlässig, verständnisvoll, hilfsbereit, uneitel. So haben wir ihn seit 1994 als unseren Geschäftsführer erlebt.

Dietmar wurde 1964 in Münster geboren. Er studierte Geschichte und Germanistik, was ihn auch befähigte, sich um das umfangreiche Archiv des VS in Nordrhein-Westfalen zu kümmern. Zugleich setzte er die Arbeit seines Vaters Wilhelm Damwerth fort, der in seinen Büchern aus der Welt der Seefahrt erzählte und als Schriftsteller von 1956 an bis 1988 ehrenamtlicher Geschäfts- führer unseres Verbandes war, von 1964 bis 1971 auch noch Bundesgeschäftsführer.

Dietmar lebte in Münster und auf der von ihm sehr geliebten Nordseeinsel Langeoog. Er war als Autor, Lektor und Verleger tätig. Im Würzburger Stütz Verlag veröffentlichte er Bildbände, so u. a. über Lübeck, das Emsland, Sauerland, Münsterland. Vielen bekannt machte ihn die lange Reihe, die sich „Kleine Bettlektüre“ nannte. Sie veranlasste die Leserinnen und Leser zum Schmunzeln, beispielsweise über die Pfalz, das Erzgebirge, die Lüneburger Heide, den Harz, über Paderborn oder Bochum.

Einer besonderen Aufgabe widmete er sich mit seinem im Damwerth-Verlag erschienen Werk „Verfemte Literatur auf dem Scheiterhaufen – Die Bücherverbrennung 1933“.

Dietmar Damwerth war ein vielseitiger, überaus aktiver Schriftsteller, ein stets freundlicher Organisator und Gesprächspartner, ein Könner seines Fachs, der nun eine nicht zu schließende Lücke in unserem Verband hinterlässt. Wir alle sind dankbar, einen so aufrechten Mann gekannt und erlebt zu haben. Mit ihm geht nach 80 Jahren eine einzigartige Ära der Familie Damwerth zu Ende, die sich in unvergleichlicher Weise um das Wohlergehen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern gekümmert hat.

Wir trauern um Dietmar. Er fehlt uns.

Volker W. Degener im Namen des Landesvorstandes in NRW

20.12.2021
Pilar Baumeister ist am Sonntag, den 19. Dezember 2021 verstorben. 

Der VS-NRW trauert um seine Kollegin Dr. Pilar Baumeister. Die seit Geburt an blinde Autorin wurde 1948 in Barcelona geboren und lebte seit 1975 in Deutschland. Sie studierte deutsche, englische und russische Philologie und verfasste ihre Doktorarbeit über das Thema: „Die literarische Gestalt des Blinden im 19. und 20. Jahrhundert – Klischees, Vorurteile und realistische Darstellungen des Blindenschicksals“.

Pilar Baumeister war seit 2006 Sprecherin der Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit multikulturellen Wurzeln im VS NRW und organisierte zahlreiche Lesereihen zur Förderung von Autorinnen und Autoren mit Migrationshintergrund. Zuletzt fand noch im November 2021 die noch von ihr initiierte Lesereihe „Die internationale Schreibfamilie – Die deutsche Literatur mit multikulturellen Wurzeln“ in Köln statt. Sie selbst schrieb Lyrik, Romane und literaturwissenschaftliche Essays, sowohl auf Deutsch, als auch auf Spanisch. Dem VS Bundesvorstand gehörte Pilar Baumeister seit 2019 an und betreute das Projekt „Worte gegen Rechts“. Mit Pilar Baumeister verlieren wir eine stets aufmerksame Zuhörerin und warmherzige Kollegin, die sich selbstlos für die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund einsetzte. „Ihre Beharrlichkeit, auf die Belange von Kolleginnen oder Kollegen mit multikulturellen Wurzeln hinzuweisen, hat die Sensibilisierung des gesamten Verbandes verstärkt. Sie half uns in einer sich digitalisierenden Zeit, die Grenzen des Sichtbaren miteinander zu erforschen. Ihre Stimme mahnte immer zum Bedenken jener Mitmenschen, die oft übersehen werden. Wir vermissen Pilar in unserem Vorstand und werden ihre Arbeit fortsetzen.“ (aus dem Nachruf des VS-Bundesvorstands)

Hier eine Auswahl ihrer Werke:
• De vivos y muertos y otros misterios, Madrid, Editorial Nuevos Ekkos, colec. La palabra inquieta 2021
• Dos países que se quieren, historias de España y Alemania, Toledo, 2018
• Leichte psychische Störungen, Norderstedt, 2016
• Getrübte Beziehungen – Erzählungen, Norderstedt, 2015
• Die Gedankenleserin – Eine fantastische Novelle, Norderstedt, 2015
• Me escondí, pero gritaba para que me oyesen – Poemas de Minerva y otras voces, (spanisch), Norderstedt, 2015
• A pesar de Franco – Los mejores momentos, (spanisch), Norderstedt, 2015
• Bis Morgen – Geschichten über Wiederholungsrituale, Norderstedt, 2015
• Exotische Geschichten – Wo komme ich her?, Norderstedt, 2014
• Wir schreiben Freitod … Schriftstellersuizide in vier Jahrhunderten, Frankfurt am Main. 2010
• Lyrikbrücken, Zehn blinde Dichter aus zehn Ländern Europas, mehrsprachige Anthologie, Berlin, 2009
• Zwei Länder, die sich lieben, Geschichten aus Spanien und Deutschland, Bonn, 2006
• Die Erfindung des Erlebten. Geschichten über Behinderung, Erotik, Jenseits, Essen, 2000
• Frauenstimmen im Weltraum, Norderstedt, 2016
• Das Zittern der Witwen, Norderstedt, 2016
• Ich versteckte mich, aber schrie, damit man mich hörte, Hamburg/Freiburg, 2022

„Wenn wir zusammengehen, kommt mit uns ein besserer Tag“, heißt eine Zeile aus dem Lied „Brot und Rosen“. Unter diesem Titel steht eines der ersten von Dr. Florence Hervé herausgegebenen Bücher über die »Geschichte und Perspektive der demokratischen Frauenbewegung«. Zahlreiche weitere Werke zu Friedens-, Gleichberechtigungs- und Widerstandsbewegungen folgten. Für ihr Lebenswerk hat sie am 12. Dezember in Darmstadt den »Luise Büchner-Preis« für Publizistik erhalten.
In der Begründung der Jury heißt es: „Die deutsch-französische Germanistin und Feministin Dr. Florence Hervé engagiert sich seit Beginn ihrer publizistischen Tätigkeiten im Jahr 1969 nicht nur als Autorin, Journalistin, Übersetzerin und Herausgeberin für eine Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft. Seit den 70er Jahren ist sie darüber hinaus in der europäischen und internationalen Frauenbewegung politisch aktiv: Sie war u. a. eine der Mitbegründerinnen der Demokratischen Fraueninitiative und war von 1994 bis 2002 im Leitungsteam der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF).“
Geboren wurde Florence Hervé im April 1944 im noch von den Deutschen besetzten Paris. Als 15jährige Schülerin lernt sie – wie Ihre Laudatorin Elisabeth Klaus mitteilt -auf dem Gymnasium Autoren des „anderen Deutschland“ kennen: Heinrich Heine, Franz Kafka und Bertolt Brecht. Die Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft in Salzburg skizziert Florence Hervés Lebensweg von deren Studium am Dolmetscher-Institut in Heidelberg über das Studium der Germanistik in Bonn ab 1963, wo die mit der Studentenbewegung einsetzenden Veränderungen auch das künftige gesellschaftspolitisches Engagement der Preisträgerin bestimmen. Sowohl in ihrer journalistischen als auch wissenschaftlichen Arbeit. Es sind die Themen Demokratie, Frieden, Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte.
Die Aktivitäten und Publikationen der im VS organisierten sozialistischen Feministin zeigen, wer ihre und anderer Vorbilder sind und sein können. Man schaue sich das mehrfach erschienene und jeweils aktualisierte »Weiberlexikon« an oder das Buch »Lexikon der Rebellinnen« sowie die Bücher über Flora Tristan, Clara Zetkin oder Louise Michel.
Antifaschismus und der Widerstand von Frauen gegen Faschismus und Krieg sind ein Lebensthema von Florence Hervé. Ein Buch über die Verbrechen und das Massaker in Oradour sowie die im vergangenen Jahr erschienene Publikation »Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg« sind Beispiele dafür.
In ihrer Dankesrede zur Preis-Verleihung hat Florence Hervé unter Bezug auf die Namensgeberin des Preises, Luise Büchner, zwei weitere Themen hervorgehoben: Es sind die Pflege- und Sorgearbeit sowie die FrauenBildung.
Deutlich äußert sie sich zu den schwierigen ja problematischen Bedingungen in der Pflege- und Sorgearbeit unter Coronabedingungen. „Corona hat gezeigt, dass eine geschlechtsgerechtere Verteilung der Arbeit und Sorgearbeit, die sich langsam und allmählich entwickelte, wieder zurückgenommen wird. Home-Office als Einstieg in den Ausstieg aus der Erwerbsarbeit?“ Es gehe deshalb nachdrücklich darum, diese Zustände zu ändern und die Gesellschaft gerechter, sorgsamer und solidarischer zu machen.
In der politisch verstandenen Frauenbildungsarbeit sei man/frau in den 70er Jahren schon einmal weiter gewesen. In den letzten zwanzig Jahren sei die politische Frauenbildung aus vielen Volkshochschulen zunehmend verdrängt worden. In Pandemiezeiten verstärke sich diese Tendenz. Dagegen gelte es anzugehen. Frauenbildungsarbeit bleibe eine ständige Herausforderung.
Zur Verleihung des Büchner-Preises gehören 2.500 Euro und eine Seite im »Darmstädter Echo«. Dort hat Florence Hervé erklärt, dass sie diesen Preis gern annehme, stellvertretend auch für die vielen Mitstreiterinnen, die an ihrer Seite waren und sind.
In einem Beitrag für „fiftyfifty“ vom September 2021 hat Florence Hervé deutlich gemacht, dass sie die „Kö“ in Düsseldorf, ihrem Wohnort, gern verändern würde:
„Als Gedächtnis der Stadt. Mit Gedenktafeln, die von Geschichten vergangener Zeiten erzählen. Als Ort der Solidarität, wie für einen Augenblick beim Protest von ‚Fridays for Future‘ im September 2019 erlebt. Als Utopie des guten Zusammenlebens. Das wäre meine Kö.“

Heinrich Bleicher