Ein Monumentalwerk hinterlassen.
Zum Tod von Erasmus Schöfer.

Mit 90 Jahren gab er noch einen Band mit seinen gesammelten Liebesgedichten heraus – nun ist Erasmus drei Tag nach seinem 91. Geburtstag gestorben.

Wir verlieren einen Freund und Schriftstellerkollegen, der es sich bei seiner literarischen und gesellschaftspolitischen Arbeit nie leicht gemacht hat und er war ein überaus produktiver Autor. Seit 1979 veröffentlichte er Novellen, Romane, Theaterstücke, Hörspiele und Essays.
Zwischen 2001 und 2009 erschien sein Hauptwerk, die Tetralogie „Die Kinder des Sisyfos“. In dieser literarischen Chronologie entwirft Erasmus Schöfer ein vielschichtiges Bild der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung Westdeutschlands zwischen 1968 und 1989. Es geht vor allem um die Protest-bewegungen aus der Perspektive von jungen, kritischen, veränderungswilligen Menschen. Dafür erhielt er 2008 den Gustav-Regler-Preis der Stadt Merzig und des Saarländischen Rundfunks.
Erasmus war immer ein Kämpfer mit Worten, ein oft verzweifelter Antreiber, er sah sich nie als jemand, der seine Hoffnung auf Besserung der Lebenssituation für alle aufgab. So sagte er beispielsweise bei einer Rede, die er 2010 in Berlin hielt: „Die große Stille, die trotz der ungeheuerlichen Zumutungen der herrschenden Krisenverbrecher weiterhin im Land zu beobachten ist, muss nicht heißen, dass die Narkotisierung der Bevölkerung endgültig ist.“

Erasmus war eng mit dem VS verwoben. Seit 1970 gehörte er unserem Verband an, und immer war er aktiv, in NRW und in Köln, zeitweise auch als Mitglied des Bundesvorstandes. Seit 1980 war er zugleich Mitglied im PEN.

Was einen Schriftsteller während seiner Arbeit und im normalen Alltag umtreibt, das hat Erasmus Schöfer 2010 in seinem Buch „Der gläserne Dichter“ ( Dittrich Verlag, Berlin ) scharfsinnig und anschaulich beschrieben. Der von ihm gewährte private Einblick vervollständigt in schöner Weise das Bild von einem der politisch engagiertesten deutschen Autoren. Sein monumentales Lebens-werk, das wir bewundern, wird lange Strahlkraft und Gültigkeit behalten.


Volker W. Degener