Allgemein

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue „Auf geht’s“-Stipendium des Landes NRW kann ab heute beantragt werden.

Wer kein VG Wort-Stipendium (o.ä.) bekommen hat, kann 6000 Euro beantragen.
Wer das VG Wort Stipendium bekommen hat, kann 3000 Euro beantragen.

Noch ein paar Tipps:

  • Es werden die gleichen Angaben gebraucht wie für die vorherigen Stipendien, also am besten alles vorher raussuchen.
  • Auch die Projektbeschreibung am besten vorher verfassen, max. 1500 Zeichen
  • Bei der Steuernummer muss man eine 5 davor setzen, sonst erkennt das System die Nummer nicht.
  • Falls es am Ende heißt, dass die Namen von Antragsteller und Kontoinhaber nicht gleich sind: Manchmal hat man einfach ein Leerzeichen nach seinem Namen eingetippt, dann ist es schon passiert.

Viel Erfolg!

Gisela Pauly wurde 1947 In Gronau im Münsterland geboren und wuchs in Münster auf. Ihr Berufsleben begann sie als Lehrerin an einer Berufsschule, 1993 machte sie sich als freie Autorin selbständig. Gisela Pauly gehört zu den Autorinnen der Telenovela Sturm der Liebe, die von der Bavaria für die ARD produziert wird. Parallel dazu schrieb sie Kurzgeschichten, veröffentlichte in Anthologien und arbeitete für den Hörfunk. Sehr populär sind ihre 15 Cosy-Krimis der Serie Mama Carlotta, die auf Sylt spielt. Der erste, Die Tote im Watt, erschien 2007 bei Piper, der vorerst letzte, Lachmöwe, 2021. Gisela Pauly entwickelte noch weitere Roman-Serien und begann 2018 mit der Kinderbuchreihe Die Leuchtturm-Haie.

Von den »Mörderischen Schwestern« wurde sie 2012 für ein Jahr zur Präsidentin gewählt. Als Hörbuch-Sprecherin ist Gisela Pauly außerdem die Stimme von Rasputin, der Leseratte.

An Auszeichnungen bekam sie den Hafiz-Lyrik-Preis der Stadt Düsseldorf, den Satire-Preis der Stadt Boppard, den Shortstory-Preis der Stadt Leverkusen, 2004 die goldene Kamera des SWR für den Kurzfilm Déjà Vu zusammen mit dem Fernsehregisseur Armin Ulrich und 2018 den rtv-Literaturpreis.

Die Liste ihrer Veröffentlichungen ist lang, darum hier nur eine Auswahl:

  • Mir langt’s! – Eine Lehrerin steigt aus. Rasch & Röhring, 1994;
  • Die Klassefrau. Heyne Verlag, 1997;
  • Endlich Mama, Tomus, 2001;
  • Schlafende Hunde, Emons, 2003;
  • Flammen im Sand, Piper, 2010;
  • Die Kurärztin von Sylt, 2014;
  • Wellenbrecher, Piper, 2018;
  • In der Kinderbuchreihe, die Leuchtturm-Haie ist zuletzt erschienen: Käpt’n Matjes und der verschollene Schatz, 2019;
  • In der Romy-Schell-Reihe erschien zuletzt 2006 Doppelt gemordet hält besser und in der Siena-Reihe 2021 Lügen haben lange Ohren.

Dirk von Kügelgen

Fahimeh Farsaie wurde 1952 in Teheran geboren, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete ab 1970 als Redakteurin und Film- und Literaturkritikerin für verschiedene iranische Zeitungen. Dabei war sie auch als Auslandskorrespondentin in London tätig.

Wegen ihrer Vorliebe für kritisch-engagierte Kunst und Literatur war sie unter dem Schah-Regime 18 Monate im Gefängnis. Unter dem Khomeini-Regime wurde sie wegen einer Erzählung gegen den Krieg verfolgt und musste fliehen. Seit 1993 lebt sie in Deutschland im Köln-Bonner Raum und arbeitet als freie Journalistin unter anderem für die taz, den Freitag, die Deutsche Welle und den Saarländischen Rundfunk. Darüber hinaus ist sie Unicef-Botschafterin und engagiert sich ehrenamtlich für Flüchtlinge.
2012 wurde ihr Theaterstück Das giftige Grün am Westfälischen Landestheater uraufgeführt, 2004 schrieb sie das Drehbuch zu Asche der Liebe.

Sie erhielt den iranischen Fernsehpreis Tamascha für junge Autoren, den Barans-Fond-Preis für die Literatur im Exil und, 2019, die Literaturförderung Kunstsalon Deutschland, ebenfalls 2019 das Literaturstipendium der Stadt Köln mit einem dreimonatigen Aufenthalt in Istanbul, ferner das Heinrich-Böll-Fonds-Stipendium und die Drehbuchförderung des Filmbüros NRW.

Fahimeh Farsaie ist Mitglied des Internationalen P.E.N.-Zentrums

Von ihr erschienen sind:

  • Vergiftete Zeit, 1991;
  • Die Flucht und andere Erzählungen, 1994;· Hüte dich vor den Männern mein Sohn, 1998;
  • Die gläserne Heimat, 1989 (auch in englischer Sprache) Neuauflagen 2016, 2018;
  • Nassrins öst-westliche Nacht, 2018;
  • Eines Dienstags beschloss meine Mutter Deutsche zu werden, 2006, Neuauflagen 2016, 2018.

Dirk von Kügelgen

Wenn er Menschen mochte, hat er sie bei Begegnungen gerne hochgehoben. Das tat er so lange, bis es ihm der Arzt verbot; da war Rolfrafael Schröer bereits in seinen 80ern. Und nicht nur die Schreibenden, Lesenden und Vermittelnden – er hat die ganze Literatur hochgehoben.

Vor über 40 Jahren hatte er die bis dahin von niemandem gedachte Idee, eine Einrichtung zu schaffen, die auf unterschiedlichste Weisen Sprachkunst an den Mann und an die Frau bringen sollte – ob mit Hilfe eines Literaturtelefons oder auf einem Poetenwanderweg. Diese Einrichtung war das Literaturbüro NRW, das er gründete und bis 1989 leitete, gemeinsam mit Lore Schaumann, die zahllose hoffnungsvolle Nachwuchsautorinnen und -autoren bei ihren Manuskripten beriet. Dieses erste Literaturbüro überhaupt diente schnell als Vorbild, allein an Rhein und Ruhr entstanden bald vier weitere; bis heute sind sie für die Vermittlung von Literatur unverzichtbar.

Der schnelle und nachhaltige Erfolg des Literaturbüros NRW hatte sehr stark mit der Person seines Erfinders und Leiters zu tun. Am 4. Dezember 1928 in Dresden geboren, verbrachte Rolfrafael Schröer seine Kindheit in Meißen. Als 16jähriger musste er in den letzten Kriegstagen noch Soldat werden; er sah, wie seine Geburtsstadt zerstört wurde. Mit 17 wurde er von den Sowjets ins Zuchthaus Bautzen gesperrt. Nach seiner Freilassung war er, der als Kind davon geträumt hatte, Tänzer zu werden, auf einem anderen Gebiet künstlerisch aktiv: Er entwarf Schmuck und wurde Graveur. Nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik arbeitete der vielfach Begabte und Interessierte u.a. als Erzieher in Bethel.

Aber schon in den 60er Jahren erschienen auch erste literarische Texte von ihm. Rolfrafael Schröer war niemand, der gerne im stillen Kämmerlein blieb – er liebte Gesellschaft und Auftritte, ob als Pantomime, Schauspieler oder Vortragender auf Lesebühnen. Neben Lyrik publizierte er Prosa, Dramen und Hörspiele, insgesamt rund 20 Bücher, darunter „Schaufelschnulzen für Reibeisenstimme“ und „Zeitalter der Ameise“.

Literatur war für ihn eine Reaktion auf die Vielfalt des Lebens, sie bot kein kategorisches Ja oder Nein, sondern bestand aus Farben, Klängen, skurrilen Abwegen, aus Menschen in ihrer ganzen Leiblichkeit, Traurigkeit, Gemeinheit, Prächtigkeit und Heiterkeit. Darauf stieß er gerne an, mit Künstlerkolleginnen und -kollegen, mit dem Publikum und bevorzugt mit Grappa (weshalb er mitunter auch Rolfrafael genannt wurde).

Seine vielfältigen, hochfliegenden Ideen hat er erstaunlich oft in die Tat umgesetzt – ob als Leiter des Literaturbüros oder ab 1989 als Gründer und Leiter des Künstlerdorfs Schöppingen im Münsterland. Wer hätte die jeweilige Vielfalt an Talenten besser zusammenbringen und voranbringen könne als Rolfrafael Schröer!
Seit 1997, in einem Alter, in dem andere ruhiger werden, war er mit seiner Frau Sigrun Rost als Rezitator im Dienste der Literatur unterwegs, er wies temperamentvoll und eindringlich das Publikum auf andere AutorInnen hin, bekannte wie unbekannte.

Für sein literarisches und literaturvermittelndes Wirken wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Bundesverdienstkreuz am Bande und zuletzt mit der Trude-Droste-Gabe der Stadt Düsseldorf. Am 27. Januar ist er, wie jetzt von seiner Familie mitgeteilt wurde, mit 93 Jahren in Münster gestorben.

Die Literatur in diesem Land hat dem umtriebigen, ideenreichen, humorvollen Rolfrafael Schröer sehr viel zu verdanken. Wir werden nicht mehr seinesgleichen sehen.

(Der Verfasser dieses Nachrufs ist seit 1998 Nachfolger von Rolfrafael Schröer als Leiter des Literaturbüros NRW)

Im hohen Alter von 91 Jahren ist unser Kollege Klas Ewert Everwyn am 16. Januar in Monheim verstorben, wo er seit 2003 lebte.

Geboren wurde Klas in Köln. Mit 14 Jahren musste er kurz vor Ende des Weltkrieges Soldat werden. Anschließend wurde er ins Oberbergische evakuiert, nach Waldbröl. Hier entdeckte er seine Lust am Schreiben, am Recherchieren historischer Ereignisse, um sie später in spannende Bücher einfließen zu lassen. Seinen vorübergehenden Hauptberuf fand er allerdings zunächst in der öffentlichen Verwaltung in Düsseldorf.

Ab 1960 gab es die ersten größeren Publikationen, bei denen das Oberbergische in vielfältiger Weise eine Rolle spielt. 1981 dann als Freiberufler der Sprung ins „kalte Wasser“, nachdem Klas als junger Autor erste literarische Erfolge feiern konnte. 1966 beispielsweise erhielt er den Literatur-Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen. 1986 wurde ihm der Heinrich-Wolgast-Preis zuerkannt. Im gleichen Jahr bekam er den Deutschen Literaturpreis für sein Sachbuch „Für fremde Kaiser und kein Vaterland“, die höchste Auszeichnung für deutschsprachige Jugendbuchautoren.

Es entstanden zahlreiche Erzählungen, Romane und Hörspiele. In seinen Werken hat Klas immer wieder Abhängigkeiten, Gewaltstrukturen und Korruptionen thematisiert – ohne erhobenen Zeigefinger.

Der einfache, der von seinem Arbeitsleben gezeichnete Mensch, hat Klas Ewert Everwyn jederzeit beschäftigt. Deshalb gehörte er wie selbstverständlich zu der legendären „Dortmunder Gruppe 61“ um Max von der Grün. In 2000 produzierte der WDR zu seinem 70. Geburtstag einen Klas-Ewert-Everwyn-Abend mit dem Titel „Vom Träumen der Kleinen Leute“.

Zweifellos war Klas Ewert Everwyn ein ganz besonderer, impulsiver Künstler, ausgestattet mit einem ausgeprägten Eigensinn, mit der Lust am Provozieren, gepaart mit einem Schuss rheinischem Humor. Seine gesellschaftskritische Einstellung hat ihn stets begleitet, auch in der Zeit seines Engagements im VS, als Vorstandmitglied, Delegierter, Sprecher und Kommissionsmitglied. Sein Urteil, sein Rat war gefragt, seine verbalen Attacken auch hin und wieder gefürchtet.

Sein Lebensende hätte er bestimmt mit einem bissigen Kommentar versehen.

Volker W. Degener

Viel zu früh, im Alter von nur 57 Jahren, hat uns unser Freund und Schriftstellerkollege Dietmar Damwerth am 23. Dezember verlassen. Er war der Dreh- und Angelpunkt, die Seele unseres Verbandes – zuverlässig, verständnisvoll, hilfsbereit, uneitel. So haben wir ihn seit 1994 als unseren Geschäftsführer erlebt.

Dietmar wurde 1964 in Münster geboren. Er studierte Geschichte und Germanistik, was ihn auch befähigte, sich um das umfangreiche Archiv des VS in Nordrhein-Westfalen zu kümmern. Zugleich setzte er die Arbeit seines Vaters Wilhelm Damwerth fort, der in seinen Büchern aus der Welt der Seefahrt erzählte und als Schriftsteller von 1956 an bis 1988 ehrenamtlicher Geschäfts- führer unseres Verbandes war, von 1964 bis 1971 auch noch Bundesgeschäftsführer.

Dietmar lebte in Münster und auf der von ihm sehr geliebten Nordseeinsel Langeoog. Er war als Autor, Lektor und Verleger tätig. Im Würzburger Stütz Verlag veröffentlichte er Bildbände, so u. a. über Lübeck, das Emsland, Sauerland, Münsterland. Vielen bekannt machte ihn die lange Reihe, die sich „Kleine Bettlektüre“ nannte. Sie veranlasste die Leserinnen und Leser zum Schmunzeln, beispielsweise über die Pfalz, das Erzgebirge, die Lüneburger Heide, den Harz, über Paderborn oder Bochum.

Einer besonderen Aufgabe widmete er sich mit seinem im Damwerth-Verlag erschienen Werk „Verfemte Literatur auf dem Scheiterhaufen – Die Bücherverbrennung 1933“.

Dietmar Damwerth war ein vielseitiger, überaus aktiver Schriftsteller, ein stets freundlicher Organisator und Gesprächspartner, ein Könner seines Fachs, der nun eine nicht zu schließende Lücke in unserem Verband hinterlässt. Wir alle sind dankbar, einen so aufrechten Mann gekannt und erlebt zu haben. Mit ihm geht nach 80 Jahren eine einzigartige Ära der Familie Damwerth zu Ende, die sich in unvergleichlicher Weise um das Wohlergehen von Schriftstellerinnen und Schriftstellern gekümmert hat.

Wir trauern um Dietmar. Er fehlt uns.

Volker W. Degener im Namen des Landesvorstandes in NRW

20.12.2021
Pilar Baumeister ist am Sonntag, den 19. Dezember 2021 verstorben. 

Der VS-NRW trauert um seine Kollegin Dr. Pilar Baumeister. Die seit Geburt an blinde Autorin wurde 1948 in Barcelona geboren und lebte seit 1975 in Deutschland. Sie studierte deutsche, englische und russische Philologie und verfasste ihre Doktorarbeit über das Thema: „Die literarische Gestalt des Blinden im 19. und 20. Jahrhundert – Klischees, Vorurteile und realistische Darstellungen des Blindenschicksals“.

Pilar Baumeister war seit 2006 Sprecherin der Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit multikulturellen Wurzeln im VS NRW und organisierte zahlreiche Lesereihen zur Förderung von Autorinnen und Autoren mit Migrationshintergrund. Zuletzt fand noch im November 2021 die noch von ihr initiierte Lesereihe „Die internationale Schreibfamilie – Die deutsche Literatur mit multikulturellen Wurzeln“ in Köln statt. Sie selbst schrieb Lyrik, Romane und literaturwissenschaftliche Essays, sowohl auf Deutsch, als auch auf Spanisch. Dem VS Bundesvorstand gehörte Pilar Baumeister seit 2019 an und betreute das Projekt „Worte gegen Rechts“. Mit Pilar Baumeister verlieren wir eine stets aufmerksame Zuhörerin und warmherzige Kollegin, die sich selbstlos für die Belange ihrer Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund einsetzte. „Ihre Beharrlichkeit, auf die Belange von Kolleginnen oder Kollegen mit multikulturellen Wurzeln hinzuweisen, hat die Sensibilisierung des gesamten Verbandes verstärkt. Sie half uns in einer sich digitalisierenden Zeit, die Grenzen des Sichtbaren miteinander zu erforschen. Ihre Stimme mahnte immer zum Bedenken jener Mitmenschen, die oft übersehen werden. Wir vermissen Pilar in unserem Vorstand und werden ihre Arbeit fortsetzen.“ (aus dem Nachruf des VS-Bundesvorstands)

Hier eine Auswahl ihrer Werke:
• De vivos y muertos y otros misterios, Madrid, Editorial Nuevos Ekkos, colec. La palabra inquieta 2021
• Dos países que se quieren, historias de España y Alemania, Toledo, 2018
• Leichte psychische Störungen, Norderstedt, 2016
• Getrübte Beziehungen – Erzählungen, Norderstedt, 2015
• Die Gedankenleserin – Eine fantastische Novelle, Norderstedt, 2015
• Me escondí, pero gritaba para que me oyesen – Poemas de Minerva y otras voces, (spanisch), Norderstedt, 2015
• A pesar de Franco – Los mejores momentos, (spanisch), Norderstedt, 2015
• Bis Morgen – Geschichten über Wiederholungsrituale, Norderstedt, 2015
• Exotische Geschichten – Wo komme ich her?, Norderstedt, 2014
• Wir schreiben Freitod … Schriftstellersuizide in vier Jahrhunderten, Frankfurt am Main. 2010
• Lyrikbrücken, Zehn blinde Dichter aus zehn Ländern Europas, mehrsprachige Anthologie, Berlin, 2009
• Zwei Länder, die sich lieben, Geschichten aus Spanien und Deutschland, Bonn, 2006
• Die Erfindung des Erlebten. Geschichten über Behinderung, Erotik, Jenseits, Essen, 2000
• Frauenstimmen im Weltraum, Norderstedt, 2016
• Das Zittern der Witwen, Norderstedt, 2016
• Ich versteckte mich, aber schrie, damit man mich hörte, Hamburg/Freiburg, 2022

„Wenn wir zusammengehen, kommt mit uns ein besserer Tag“, heißt eine Zeile aus dem Lied „Brot und Rosen“. Unter diesem Titel steht eines der ersten von Dr. Florence Hervé herausgegebenen Bücher über die »Geschichte und Perspektive der demokratischen Frauenbewegung«. Zahlreiche weitere Werke zu Friedens-, Gleichberechtigungs- und Widerstandsbewegungen folgten. Für ihr Lebenswerk hat sie am 12. Dezember in Darmstadt den »Luise Büchner-Preis« für Publizistik erhalten.
In der Begründung der Jury heißt es: „Die deutsch-französische Germanistin und Feministin Dr. Florence Hervé engagiert sich seit Beginn ihrer publizistischen Tätigkeiten im Jahr 1969 nicht nur als Autorin, Journalistin, Übersetzerin und Herausgeberin für eine Gleichstellung der Frau in der Gesellschaft. Seit den 70er Jahren ist sie darüber hinaus in der europäischen und internationalen Frauenbewegung politisch aktiv: Sie war u. a. eine der Mitbegründerinnen der Demokratischen Fraueninitiative und war von 1994 bis 2002 im Leitungsteam der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF).“
Geboren wurde Florence Hervé im April 1944 im noch von den Deutschen besetzten Paris. Als 15jährige Schülerin lernt sie – wie Ihre Laudatorin Elisabeth Klaus mitteilt -auf dem Gymnasium Autoren des „anderen Deutschland“ kennen: Heinrich Heine, Franz Kafka und Bertolt Brecht. Die Professorin am Fachbereich Kommunikationswissenschaft in Salzburg skizziert Florence Hervés Lebensweg von deren Studium am Dolmetscher-Institut in Heidelberg über das Studium der Germanistik in Bonn ab 1963, wo die mit der Studentenbewegung einsetzenden Veränderungen auch das künftige gesellschaftspolitisches Engagement der Preisträgerin bestimmen. Sowohl in ihrer journalistischen als auch wissenschaftlichen Arbeit. Es sind die Themen Demokratie, Frieden, Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte.
Die Aktivitäten und Publikationen der im VS organisierten sozialistischen Feministin zeigen, wer ihre und anderer Vorbilder sind und sein können. Man schaue sich das mehrfach erschienene und jeweils aktualisierte »Weiberlexikon« an oder das Buch »Lexikon der Rebellinnen« sowie die Bücher über Flora Tristan, Clara Zetkin oder Louise Michel.
Antifaschismus und der Widerstand von Frauen gegen Faschismus und Krieg sind ein Lebensthema von Florence Hervé. Ein Buch über die Verbrechen und das Massaker in Oradour sowie die im vergangenen Jahr erschienene Publikation »Mit Mut und List. Europäische Frauen im Widerstand gegen Faschismus und Krieg« sind Beispiele dafür.
In ihrer Dankesrede zur Preis-Verleihung hat Florence Hervé unter Bezug auf die Namensgeberin des Preises, Luise Büchner, zwei weitere Themen hervorgehoben: Es sind die Pflege- und Sorgearbeit sowie die FrauenBildung.
Deutlich äußert sie sich zu den schwierigen ja problematischen Bedingungen in der Pflege- und Sorgearbeit unter Coronabedingungen. „Corona hat gezeigt, dass eine geschlechtsgerechtere Verteilung der Arbeit und Sorgearbeit, die sich langsam und allmählich entwickelte, wieder zurückgenommen wird. Home-Office als Einstieg in den Ausstieg aus der Erwerbsarbeit?“ Es gehe deshalb nachdrücklich darum, diese Zustände zu ändern und die Gesellschaft gerechter, sorgsamer und solidarischer zu machen.
In der politisch verstandenen Frauenbildungsarbeit sei man/frau in den 70er Jahren schon einmal weiter gewesen. In den letzten zwanzig Jahren sei die politische Frauenbildung aus vielen Volkshochschulen zunehmend verdrängt worden. In Pandemiezeiten verstärke sich diese Tendenz. Dagegen gelte es anzugehen. Frauenbildungsarbeit bleibe eine ständige Herausforderung.
Zur Verleihung des Büchner-Preises gehören 2.500 Euro und eine Seite im »Darmstädter Echo«. Dort hat Florence Hervé erklärt, dass sie diesen Preis gern annehme, stellvertretend auch für die vielen Mitstreiterinnen, die an ihrer Seite waren und sind.
In einem Beitrag für „fiftyfifty“ vom September 2021 hat Florence Hervé deutlich gemacht, dass sie die „Kö“ in Düsseldorf, ihrem Wohnort, gern verändern würde:
„Als Gedächtnis der Stadt. Mit Gedenktafeln, die von Geschichten vergangener Zeiten erzählen. Als Ort der Solidarität, wie für einen Augenblick beim Protest von ‚Fridays for Future‘ im September 2019 erlebt. Als Utopie des guten Zusammenlebens. Das wäre meine Kö.“

Heinrich Bleicher

Er ist undotiert, aber überaus ehrenvoll! Der „Taler“ wird vom LiteraturRat NRW für hervorragende Verdienste bei der Literaturförderung verliehen. Die große Ehre wurde am 14. September unserem Bochumer Kollegen Dr. Artur Nickel zuteil, nämlich im Essener Kulturzentrum Grend. Als Deutschlehrer an einer Essener Gesamtschule und Autor mit zahlreichen Publikationen gibt er seit 2005, also mittlerweile seit 16 Jahren, in jedem Jahr die „Essener Jugendanthologie“ heraus. Dabei legt er besonderen Wert darauf, auch Kinder mit Migrationshintergrund fürs eigene Schreiben und die Literatur zu begeistern. Dafür arbeitet er u.a. mit dem Türkischen Lehrer- und Elternverband und dem Literaturfestival „Literatürk“ zusammen. Ein einzigartiges, äußerst erfolgreiches Schreibprojekt für Kinder und Jugendlich zwischen 10 und 20 Jahren! Die Anthologien tragen ansprechende Titel, beispielsweise „Vom Glück und seinen Launen“ oder „Auf-Bruch in meine Zukunft“ oder „Dann öffnet sich mir die Tür“. Alle Textsammlungen erscheinen im Geest-Verlag ( Vechta ). Wir bewundern Artur Nickels Idee und Ausdauer und gratulieren ihm herzlich zu der Auszeichnung.

Volker W. Degener

Laudatio von Werner Rügemer

Werte Anwesende, Lieber Erasmus,

wir freuen uns, dass wir mit Dir feiern dürfen, Dein großes sysifikalisches Werk ebenso wie auch dein langes Leben. Weil da so unendlich vieles zu sagen wäre, will ich es kurz machen, denn auch in unserem langen, wenn auch bisher nicht so langen Leben wie Deinem ist unsere Zeit kurz, auch heute in diesem schönen Raum der Kölner Arbeiterfotografie.

Wenn der Nobelpreis etwas Gutes wäre, dann würde ich ihn Dir heute verleihen. Du hättest ihn verdient. Aber er ist nichts Gutes, sondern etwas Schlechtes, er ist ein ideologisches, auch sehr raffiniertes Element des US-geführten westlichen Kapitalismus. Ein weltberühmter Schriftsteller, als er den Nobelpreis bekam, 1957 – das war die Zeit, als Du nach dem Philosophie-Studium in Berlin als Industriearbeiter nach Köln gingst – , also dieser weltberühmte Schriftsteller erklärte damals zur Preisverleihung: „Wir Schriftsteller des 20. Jahrhunderts werden nie mehr allein sein. Wir werden Teil des Volkes sein. Und wir werden uns niemals wieder unterordnen, wir werden frei sein in neuer Form – ich meine als Freischärler“.

Dieser Schriftsteller hieß Albert Camus, er bekam den Nobelpreis und war und ist weltberühmt. Er hat den Nobelpreis verdient, und zwar den schlechten. Dabei war Camus ein guter und tapferer Mensch, und er hatte sich in Frankreich am Widerstand gegen die faschistische Besetzung beteiligt, und er war ein sehr guter Schriftsteller. Camus hat auch eine sisyfisikalisches Buch geschrieben: „L‘ homme révolté“, Der Mensch in der Revolte. Das wurde in viele Sprachen übersetzt, auch in die deutsche. Am Ende hatte Camus geschrieben, und das hat mich damals als suchenden jungen Menschen in der christlich lackierten, von vielfältigen Missbräuchen strotzenden Adenauer-Republik, tief bewegt: „Wir müssen uns Sisyphus als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Aber: Müssen wir uns Sisyphus wirklich als glücklichen Menschen vorstellen? Erasmus, Du hast es uns wirklichkeits- und kapitalismusnäher literarisch dargelegt, zum Beispiel in Deiner Tetralogie „Die Kinder des Sisyfos“: Ja und viel Nein. Viel nein, weil Erasmus und seine Helden nicht nur Freischärler sind, einsame Kämpfer, und nicht einfach irgendwie Teil des allgemeinen „Volkes“, wie Camus ankündigte, sondern vielfach organisierte Kämpfer und Kämpferinnen, Mitglieder von Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, auch mal zum Beispiel kommunistischer Parteien. Sie können scheitern, politisch, auch persönlich in ihren Beziehungen und sie sind dann todunglücklich, und das kann lange dauern. Und sie können auch getötet werden wie die junge griechische Kommunistin Sotiria, die Du, Erasmus in dem Roman „Tod in Athen“ dargestellt hast, und vorher die antifaschistischen Widerstandskämpfer in Griechenland, getötet von US-Napalm-Bomben und US-Sturzkampffliegern im angeblichen Bürgerkrieg. Und dann ist es aus mit dem Diktum des Freischärlers Camus, dass Sisyphus, der Einsame Steinebeweger, ein glücklicher Mensch sei. Aber dafür gibt es den Nobelpreis.

Erasmus, Du warst nicht nur mal für drei Jahre zum Arbeiten in die Industrie gegangen. Mit dem Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, 1969 gegründet, organisiertest Du mit anderen Gleichgesinnten die bis dahin schlummernden, verdrängten, abgetöteten, auch durch Nobel- und viele andere Literaturpreise überspielten Fähigkeiten der abhängig Beschäftigten, ihre Arbeits- und Lebensverhältnisse selbst darzustellen, und zwar nicht kurz und grob so mal hingesagt in einem gnädig gewährten Fernseh-Interview, sondern in literarischer Form. Erasmus, Du verbrüdertest und verschwestertest Dich nicht, wie Camus es wollte, irgendwie mit „dem Volk“, sondern mit dem unterdrückten, ausgebeuteten und dann auch antikapitalistisch widerständigen Teil des Volkes. Und du bliebst kein einsamer Freischärler, sondern du wurdest Organisator, aktiver Teil von Organisationen und zahlreichen Initiativen, etwa für den Frieden und die Umwelt, und eben für die Literatur der Arbeitswelt.

Dass der abhängig arbeitende Mensch ein gebildeter sei, kulturell fähig auf der Höhe und auch in der Tiefe der Zeit, damit auch in organisierter und literarischer Form sich Freiheiten und vielleicht auch einmal die ganze Freiheit verschaffe – diese im Kaiserreich, dann vor allem im Faschismus und auch in der dumpf-bürgerlich-christlichen Adenauer-Republik verhinderte Entfaltung der Persönlichkeit hatte, oh nur scheinbares Wunder, eine große Resonanz: der Werkkreis organisierte 50 Werkstätten, 100 Sammelbände, Lesungen in Betrieben, Gewerkschaftssälen und Schulen, internationale Kontakte.

In deiner folgenden Tetralogie „Die Kinder Sisyfos“ setztest Du, Erasmus, dies in Romanform fort, eingebunden in wichtige Widerstandsbewegungen von Arbeitern und anderen Aktivisten in der Bundesrepublik Deutschland. Das ist Teil des wichtigsten Teils der Geschichte dieses Landes und Staates, nämlich dass demokratischer gemeinsamer Widerstand geleistet wurde. Und dies hast Du literarisch gestaltet, festgehalten auch für die anderen gegenwärtigen ZeitgenossInnen und jetzige jüngere und künftige Generationen.

Doch das literarisch-politische Erwachen des schlummernden Widerstands und der schlummernden Fähigkeiten der abhängig Beschäftigten wurde von denen bekämpft, gegen die sich dieser Widerstand richtete. Eine krächzende aber vielbeachtete Stimme war die des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki: Er dekretierte in der „Zeitung für Deutschland“, der Unternehmer- und Akademiker-Postille FAZ: „Wer nicht schreiben kann, geht zum Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“.

Ein kleines Puzzlestück dieses Niedermachens, das viele, auch sogenannte „gebildete“ Formen annahm, habe ich zusammen mit Dir, Erasmus, selbst erlebt. 1996 hatte der WDR unser gemeinsames Radio-Feature „Dreckwässer. Bericht aus dem Unterleib der Städte“ gesendet. Wir schilderten die giftigen Einleitungen aus den Unternehmen in die öffentliche Kanalisation und die geringe Klärleistung der Klärwerke und die Vergiftung des Rheins, und die Vergiftung der Atmosphäre durch das hochgiftige Gas Methan, das aus dem Klärschlamm des Klärwerks wie in Köln-Stammheim aufsteigt, viel giftiger als das viel mehr beachtete CO2.

Die damalige Chefredakteurin des Kölner Stadt-Anzeigers hatte die Sendung gehört. Sie fand das Thema apart und bat uns, für die Wochenendbeilage auf zwei Zeitungsseiten dazu einen hübschen Text zu verfassen. Wir schrieben den Text, lieferten ihn ab. Aber ohne Rücksprache wurde er mehrere Wochen später veröffentlicht, aber an 85 Stellen umgeschrieben, verharmlost, gekürzt, ergänzt, verfälscht – sozusagen hochprofessionell. Wir verklagten den Stadt-Anstreicher, und dessen Geschäftsführer wollte uns außergerichtlich ein paar tausend DM zahlen, wenn wir darüber Schweigen bewahrten. Wir hielten an unserer Klage fest und gewannen. Wir bekamen vom Gericht schließlich 10.000 DM Schadenersatz wegen Urkundenfälschung und Rufschädigung, aber weder der Kölner Stadt-Anstreicher noch irgendeine andere Zeitung des komplizenhaften Medien- und Literaturbetriebs und auch nicht die FAZ haben über dieses in Deutschland erstmalige Urteil berichtet. Der Redakteur, der die Textfälschungen vorgenommen hatte, stieg danach übrigens mit erhöhtem Gehalt in die oberen Regionen dieser Art Medienbetriebs auf, nämlich in die Redaktion des überregionalen Leitmediums Spiegel.

Der Werkkreis Literatur der Arbeitswelt wurde sanft, aber bestimmt nach oder trotz oder eben wegen seines Erfolgs aus der Öffentlichkeit und aus dem literarischen Leben verbannt, er verschwand. Es beherrschen die Nobel- und anderen Preisträger und das FAZ- und ZEIT- undsoweiter Feuilleton das Feld, die abhängig Beschäftigten sind nicht nur literarisch, sondern auch politisch wieder zum Verstummen gebracht und politisch teilweise nach ganz rechts abgedriftet.

Eigentlich sollten die Erkenntnisse und Impulse von 1968 in eine Revolution münden. Das wäre gut gewesen, wie wir heute wieder erfahren, angesichts der neu geschürten Aufrüstung und der zunehmenden finanziellen wie kulturellen Verarmung der abhängig Beschäftigten.

Erasmus, Du hast realistisch-literarischer Weise den Widerstand des Sisyfos gezeigt, der in den Bundesrepublik möglich war, mehr als jeder andere Schriftsteller. Dies ist ein unschätzbares und bis heute nicht annähernd so breit geschätztes Verdienst, wie es angemessen und nötig wäre.

Wir sind hier aber trotzdem in einem dieser doch möglichen sisyfisikalischen Glücksmomente versammelt. Darin überreiche ich Dir, Erasmus, den noch nicht geschaffenen Preis, der anders heißen wird als der falsche, der einsamen Freischärlern – gelegentlich – überreicht wird wie zuletzt dem US-Sänger Bob Dylan, der sich in ähnlichen Bewegungen bewegte wie Du, aber sich als einsamer Freischärler pflegte und als solcher hochindustriell gepflegt wurde und wird und den Kapitalismus nicht zu kritisieren wagte. Und ich verbinde diese alternative Verleihung mit der Hoffnung, die in dem von Dir dargestellten Widerstand schlummernd angelegt ist, nämlich dass aus dem Widerstand die not-wendige Revolution werde, also die „wesentliche Veränderung“. Danke Erasmus!